Diagnosekrimi: Der gut versteckte Mangel
Bei der §57a Überprüfung eines älteren Audi A4 Avant wird ein schwerer Mangel festgestellt. Doch als dieser behoben wird, tritt ein neuer Fehler auf, dessen Diagnose sich zu einem Krimi entwickelt.

Der 20 Jahre alte Audi A4 Avant ist mit einem 130 PS starken 1,9 Liter Turbodieselmotor ausgestattet und hat bereits 220.000 Kilometer auf dem Tacho, als er zur jährlichen §57a Überprüfung antritt. Die freie Werkstatt von Sreten Colakovic in der Wiener Breitenfurter Straße ist auf Fahrzeuge aus dem VW-Konzern spezialisiert, und der Meister kennt das Auto des Stammkunden seit mehreren Jahren. Diesmal stellt er fest, dass beide Lampen der Kennzeichenbeleuchtung defekt sind – laut Mängelkatalog ein schwerer Mangel. Da der Lampenträger aufgrund des fortgeschrittenen Alters bereits durchgerostet ist, wird er ebenso wie die Glühbirnen erneuert. Nach der Reparatur funktioniert die Kennzeichenbeleuchtung wieder, und da es sonst nichts zu beanstanden gibt, erhält der Avant ein neues „Pickerl“. Als der Kunde das Auto abholt, fällt Kfz-Meister Colakovic noch auf, dass der Motor ungewöhnlich lange zum Starten braucht. Da er aber nach etwa 10 Sekunden doch anspringt und normal läuft, ist der Kunde zufrieden und fährt nach Hause. Am nächsten Tag bringt er sein Auto jedoch zurück in die Werkstatt- die Startschwierigkeiten haben sich deutlich verschlimmert. Nun nimmt ein Diagnosekrimi seinen Anfang.
- Kfz-Meister Sreten Colakovic schließt den Audi an das Diagnosegerät an, liest den Fehlerspeicher aus und erhält die Meldung: „Nockenwellensensor – unplausibles Signal“.
- Nun überprüft er die Steuerzeiten der Nockenwelle zur Kurbelwelle und kontrolliert den Zahnriemen, ob er locker sitzt oder übersprungen ist – alles okay. Dennoch bleibt der Fehler bestehen.
- Der Nockenwellensensor wird erneuert, doch der Fehler wird immer noch angezeigt.
- Bei der folgenden Überprüfung der Verkabelung vom Sensor zum Steuergerät wird zwar kein Fehler entdeckt, doch nach dem Anstecken des durchgemessenen Kabels ist der Fehler plötzlich verschwunden. Am ursprünglichen Symptom – der Motor braucht viel zu lange zum Starten – hat sich aber leider nichts geändert.
- Diagnosespezialist Colakovic weiß aus Erfahrung, dass ein versteckter Kurzschluss in Kabeln oder Anschlüssen, die aufgrund eines Wassereintritts korrodiert sind, derartige Symptome verursachen kann. Nachdem er alle in Frage kommenden Stellen kontrolliert und nichts gefunden hat, vermutet er einen Defekt des Steuergerätes.
- Bei der Überprüfung des Starters stellt sich heraus, dass dieser zu viel Strom zieht und zu wenig Drehleistung abgibt. Der Starter wird getauscht, doch nachdem die Messung das gleiche Ergebnis zeigt wie zuvor, wird der Original-Starter wieder zurückgebaut.
- Bei der Spannungsmessung am Motorsteuergerät fällt dem Diagnosespezialisten auf, dass die Spannung während des Startvorganges von 12 Volt auf 8,5 Volt abfällt.
- Auch beim Test mit Starthilfe durch eine Fremdbatterie ist der Spannungsabfall zu messen.
- Nachdem weitere Messungen zeigen, dass der Spannungsabfall während des Startens auch beim Bordnetzsteuergerät auftritt, studiert der Kfz-Meister die Schaltpläne und macht sich auf die Suche nach einem Schalter, Relais oder Steuergerät, die mehr Strom ziehen, als sie sollten.
- Da zuletzt die Kennzeichenbeleuchtung getauscht wurde, hängt er diese wieder ab – und siehe da, der Motor lässt sich ohne Verzögerung starten.
- Der gleiche Effekt zeigt sich, als die Kennzeichenbeleuchtung wieder angehängt und die Rückleuchten oder die Frontscheinwerfer abgehängt werden.
- Diagnostiker Colakovic ist sich nun sicher, den Übeltäter gefunden zu haben. Er tauscht den Lichtschalter probeweise mit dem aus einem baugleichen Audi in seiner Werkstatt aus, und tatsächlich: Alle Lichter funktionieren, alle Probleme sind behoben, der Motor startet ohne Verzögerung. Mit der Erneuerung des Lichtschalters ist die langwierige Fehlersuche beendet, der Diagnosekrimi gelöst.
Erkenntnis:
An diesem Fall zeigt sich, dass für eine Fehlerdiagnose gleichzeitig handfeste technische Informationen aus durchgeführten Messungen als auch die Erfahrung des Kfz-Technikers benötigt werden. Wenn Fehlermeldungen am Bildschirm des Diagnosegerätes auf falsche Fährten führen, kommt es auf die richtige Interpretation dieser Meldungen an. Diagnosespezialist Sreten Colakovic „verbeißt“ sich gerne in derartige Problemfälle, bis er diese gelöst hat – auch wenn er dafür wie in diesem Fall mehrere Tage herumdoktern muss. Die wertvollen Lehren, die er aus der Problemlösung zieht, teilt er anschließend gerne mit Kollegen aus anderen Werkstätten in einem Online-Forum. Und auch die Kunden seiner Werkstatt profitieren: Als kurz danach ein Seat Alhambra mit den gleichen Symptomen wie beim beschriebenen Audi A4 zur Auto Welt Technik kam, konnte Colakovic das Problem mit dem Tausch des Lichtschalters in nur 5 Minuten beheben.