Ausblick

„Das klassische Werkstattgeschäft ist ein Auslaufmodell“

Autopapst Ferdinand Dudenhöffer ist überzeugt: Das Auto hat eine große Zukunft vor sich - elektrisch und voller künstlicher Intelligenz. Was das für die Branche bedeutet und warum er der Kernenergie nachtrauert, erklärte er auf einer Stippvisite in Wien.
Ferdinand Dudenhöffer
Ferdinand Dudenhöffer

Was haben der deutsche „Autopapst“ Ferdinand Dudenhöffer, Direktor CAR – Center Automotive Research in Duisburg, und das Produkt, das er analysiert, gemeinsam? Nun, beide bewegen nach wie vor die Massen. Davon konnte man sich bei den Flottentagen der Raiffeisen Leasing am ÖAMTC-Testgelände in Teesdorf ein Bild machen.

Der Andrang war enorm, mehr als 700 Menschen folgten der Einladung der Leasing-Gesellschaft und standen geradezu Schlange, um eines der 110 zur Verfügung gestellten Autos für eine kurze Testfahrt zu ergattern. Wir stellen fest: Das Automobil übt eine ungebremste Strahlkraft aus. Das gilt auch für Professor Dudenhöffer, der als Stargast einen Vortrag zur Zukunft der Autoindustrie hielt, bei dem kein Sessel frei geblieben ist. Was er zu sagen hatte, war aber auch in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. 

„Das Auto wird nicht aussterben“

Die Good News gleich vorweg: „Das Auto wird nicht aussterben“, sagt Dudenhöffer. Ganz im Gegenteil: Er sieht sogar eine große Zukunft für das Automobil. Dies vor allem dank des enormen Potenzials in Wachstumsmärkten wie Indien und China. Dort besitzen von 1000 Einwohnern gerade einmal 93 ein Auto, in Europa sind es dagegen fast 600, in den USA gar mehr als 800. 

Das Wachstumspotenzial in den Emerging Markets ist entsprechend riesig. Bei einem Markt von rund 6,7 Milliarden Menschen hätten weniger als 100 je 1000 Einwohner ein Auto. „Die träume alle davon, motorisiert zu werden“, sagt Dudenhöffer. Und wenn sie auch nur annähernd in Richtung der westlichen Märkte aufschließen, ginge die Post ab.

In den gesättigten Märkten Europas erwartet der Experte indes zumindest keine großen Rückgänge der Stückzahlen. Dies, zumal die Bahn keine verlässliche Alternative sei und auch das viel gerühmte Car-Sharing laut dem Experten nie mehr als ein Nischendasein fristen wird.  

Hybrid ist zum Vergessen

Was die Technologie betrifft, so besteht für den Autopapst kein Zweifel, wohin die Reise geht: „Die Zukunft ist elektrisch“, meint Dudenhöffer - und zwar vollelektrisch: „Hybrid können Sie vergessen, das ist vorbei“. Andere alternative Antriebssyteme wie Brennstoffzellen oder eFuels hätten schlechte, zum gar sogar eine „grausliche“ Energieeffizienz. eFuels wären gerade einmal etwas für alte Porsche 911-Fahrer oder eventuell für die Luft- oder die Schifffahrt. 

Bei den batterieelektrischen Autos, den sogenannten BEV, wird die Entwicklung, da ist sich der Autoprofessor sicher, rasch voranschreiten. Das große Zukunftsthema sie hierbei die Feststoffbatterie. Damit wären 1000 Kilometer Reichweite überhaupt kein Problem, es wären auch extrem schnelle Ladungen möglich und die Herstellung der Batterien wäre obendrein auch noch viel kostengünstiger. 

Dudenhöffer schätzt, dass im Jahr 2030 bereits zwei Drittel aller verkauften Neuwagen in Deutschland E-Autos sein werden. Eine große Zukunft sieht er auch in Abo-Modellen, die Schritt für Schritt das klassische Leasing ablösen werden. 

Comeback der Atomkraft?

Aber zurück zur E-Mobilität. In dem Zusammenhang spricht Dudenhöffer völlig ungeniert und emotionslos ein heikles Thema an - eines, das gerade in Österreich höchst unbeliebt ist: „Wir sollten uns der Diskussion um Atomkraft nicht verschließen“, meint er m Gespräch mit der KFZwirtschaft am Rande der Veranstaltung in Teesdorf. Für ihn sei es in Anbetracht des Energiebedarfs sowie der Kosten unverständlich, dass Deutschland aus der Kernenergie ausgestiegen ist. Denn: Soll die Zahl der Elektroautos wie von der deutschen Regierung geplant von derzeit rund 440.000 bis Ende 2030 auf 15 Millionen Fahrzeuge steigen, würde der Strombedarf im Land entsprechend explodieren, so die Argumentation des Autoexperten, der den zusätzlichen Bedarf auf rund 140 Terawatt Strom im Jahr schätzt. Dafür müsste man die Windradkapazitäten mehr als verdoppeln, Gas- und Kohlekraftwerke weiter betreiben oder Atomstrom aus dem Ausland importieren. Das sei nicht sinnvoll. Auf die Kernkraft zu verzichten, wäre vor diesem Hintergrund geradezu naiv, wie Dudenhöffer soeben auch gegenüber deutschen Zeitung „Bild“ betonte. Dort wurde er sogar noch deutlicher, nannte die deutsche Ausstiegsstrategie „dumm“ und sagte klipp und klar: „Wer E sagt, muss auch A sagen!“ 

Und was sagt der Professor zu jenen Experten, die mahnen, dass die CO2-Bilanz der E-Autos gar nicht so gut sei, wenn man die Emissionen bei der Batterieherstellung sowie deren Entsorgung miteinbeziehe? „Man kann sich die Ergebnisse durch verschiedene Annahmen, etwa zum künftigen Strommix, zurechtlegen, so wie man es gerade möchte“, sagt Dudenhöffer und schickt einen Appell nach: „Wir sollten die E-Mobilität nicht kaputt reden mit Annahmen, die grauslich sind!“ 

The next big thing

Der Umstieg auf die E-Mobilität wird laut Dudenhöffer aber keineswegs die größte Herausforderung für die Industrie sein. Die größte Herausforderung sieht er in einem weiteren Trend, der mit der E-Mobilität einhergeht: die Entwicklung in Richtung des sogenannten „Software Designed Car“. 

„Das ist the next big thing“, sagt der Experte. Autokonzerne und Zulieferer müssten zu Softwarekonzernen werden. Laut Dudenhöffer werden einige große Konzerne dabei wohl auf der Strecke bleiben und neue Player, zum Teil etwa chinesische Hersteller, auf den Plan treten. 

Den VW-Konzern, der ja eine eigene Software- sowie auch eine eigene Batteriesparte gegründet hat, sieht Dudenhöffer trotz diverser Anlaufschwierigkeiten in einigen Bereichen von den traditionellen Autobauern übrigens am besten aufgestellt. „Tesla ist das Auto von morgen und VW ist am nächsten dran“, lautet das Urteil des Professors. Die Situation in Sachen Lieferengpässe bei Halbleitern wird sich seiner Einschätzung nach übrigens im Verlauf des Jahres 2023 bessern. 

Düstere Prognose für Werkstätten

Der Wandel ist jedenfalls extrem: „Das neue Zahnrad ist der Chip“, soll der Chef eines großen, traditionellen deutschen Zulieferkonzern bereits gesagt haben. Dudenhöffer ist sich sicher: Die neue Autoindustrie besteht auch aus Chemiekonzernen (Stichwort Batterien), sie besteht aus Energieunternehmen (Stichwort Ladesäulen) und sie besteht - selbstverständlich - eben auch Software-Entwicklern. 

Gerade letztere dürfen sich auf lukrative Geschäfte freuen, da die Wertschöpfung rund ums Automobil gerade im gut skalierbaren Software-Bereich mit Over-the-Air-Updates steigen werde. Auch das autonome Fahren werde früher oder später kommen, ist sich Dudenhöffer sicher, in China sei es teilweise sogar schon Realität. 

Den Werkstätten prophezeit der Autopapst unterdessen keine rosige Zukunft: „Das klassische Werkstattgeschäft ist ein Auslaufmodell“, sagt Dudenhöffer. Die Unternehmen müssten sich darauf einstellen, dass sie in Zukunft weniger Umsatz machen. Jetzt gelte es, die Zeit zu nützen, um sich entsprechend neu aufzustellen, so der Rat des Autopapstes. 

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